Zusammenfassung eines Vortrags beim Regionalclub Düsseldorf des BDVT Berufsverband für Training, Beratung und Coaching am 09. Juni 2017

Manfred Sieg, Geschäftsführer VERUN GmbH

Wir spüren in allen Lebensbereichen die bahnbrechende Kraft der Digitalisierung. Keiner kann sich dem entziehen. Ich bin der Auffassung, dass – neben Feuer, Erde, Wasser, Luft – digitalisierte Daten und Informationen inzwischen das fünfte Element unserer Welt sind.

Dies zeigt sich in der Dynamik der Veränderungen in unserer Gesellschaft, aber auch in den steigenden Anforderungen, Chancen und Risiken für jeden Einzelnen und in unserer globalen Wirtschaft.

Miniaturisierung plus Digitalisierung plus weniger Energieverbrauch plus Vernetzung plus die Innovationskraft von Menschen und Unternehmen sind der Nährboden für neue Produkte, Kommunikation und Geschäftsprozesse. Konvergenz und Disruption sind wichtige Schlagworte.

Konvergenz bedeutet die Integration verschiedener Geräte in einem. Das Smartphone ist gegenwärtig das am höchsten entwickelte Multifunktionswerkzeug im Alltag. Neben dessen hohen Gebrauchsnutzen ist es gleichzeitig die Superwanze in der Hosentasche. Denn mit jeder Transaktion  im Internet hinterlassen wir Spuren. Die elektronischen Datenakten jedes Einzelnen sind prall gefüllt und können in vielfältigster Weise genutzt werden. Alle Daten und Informationen haben einen Nutzwert, der kapitalisiert werden kann. Cognitive Computing (Künstliche Intelligenz, Neuronale Netze …) und der Handel mit Informationen sind höchst lukrative, schnell wachsende Geschäftsfelder.

Das Wesen disruptiver Technologien und neuer Denkansätze besteht darin, dass sich Geschäftsmodelle grundlegend ändern. Beispielsweise haben die Smartphones innerhalb weniger Jahre den Markt für Digitalkameras dramatisch geschrumpft und innerhalb der Smartphone-Branche sind die einstigen Heros Blackberry und Nokia innerhalb von nicht einmal sieben Jahren aus sehr hohen zweistelligen Marktanteilen in die fast vollständige Bedeutungslosigkeit abgestürzt. Uber vermittelt Taxifahrten ohne ein Taxi zu besitzen und hat aktuell einen höheren Kapitalmarktwert als der VW-Konzern. Airbnb vermittelt sehr erfolgreich weltweit private Übernachtungsplätze ohne ein einziges Bett zu besitzen.

Die gegenwärtigen globalen Megatrends (digitale Wirtschaft und Gesellschaft, nachhaltiges Wirtschaften und Energie, innovative Arbeitswelt, gesundes Leben, intelligente Mobilität, zivile Sicherheit) basieren auf den Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass in den nächsten 20 Jahren etwa die Hälfte aller Berufe und der damit verbundenen Arbeitsplätze verloren gehen. Es werden neue Berufsbilder und Arbeitsplätze entstehen. Wie viele und wo weiß niemand.

Fakt ist, dass die Produktivität stärker wächst als die Wirtschaft. Der wissenschaftliche Output verdoppelt sich etwa alle neun Jahre und Faktenwissen verliert mit Google, Wikipedia und dem Zugang zu anderen Datenbanken rund um die Uhr an Bedeutung. Kreativität und soziale Kompetenz, Lern- und Veränderungsbereitschaft sowie Agilität sind wichtige Eigenschaften, um in der sich ändernden Arbeitswelt die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten.

Die vielen Veränderungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft verlaufen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Es gibt vier Typen von Menschen:

  • Die einen initiieren Veränderungen (realisieren Verbesserungen).
  • Die Anderen beobachten das Geschehen und warten ab.
  • Die Nächsten bemerken nichts und machen weiter wie bisher.
  • Die vierte Gruppe wundert sich, dass etwas geschehen ist.

Zu welcher Gruppe wollen Sie gehören?

Im Vertrieb nimmt die Bedeutung von Online Marketing und Online Verkauf stetig zu. Je weniger erklärungsbedürftig Produkte sind und das Einkaufserlebnis keine Rolle spielt, Bequemlichkeit und Zeitersparnis wichtiger sind, desto mehr wandert der Verkauf in das Internet. Der Verkaufskontakt im Außendienst ist der teuerste. Ein Bruchteil dessen kostet der Kundenkontakt im Internet. Entsprechend hoch muss der Wertschöpfungsbeitrag der einzelnen Vertriebswege sein.

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Online Vertriebs hat eine Expertengruppe im BDVT bereits 2015 das Berufsbild eines Managers für Online Marketing und Sales formuliert. Wir empfehlen allen, die sich im Geschäftsfeld Marketing und Verkauf bewegen, es zu lesen und eigene Schlussfolgerungen für sich zu ziehen. (https://www.bdvt.de/fileadmin/user_upload/dokumente/akademie/Berufsbild_Online_Marketing_Sales_Manager_BDVT_2015.neu.pdf )

Wer als Unternehmer im Internet nicht adäquat präsent ist, wird früher oder später nicht mehr sichtbar sein.

Die Digitalisierung führt auch zu bedeutenden Veränderungen in den Bereichen Training, Beratung und Coaching. Viele Chancen ergeben sich beispielsweise aus dem Bedarf an Veränderungsmanagement, Führung in der sich digitalisierenden Welt, verkaufen/arbeiten und leben im digitalen Zeitalter sowie dem für die Digitalisierung notwendigen fachlichen und methodischen Know-how.

Bedrohungen bzw. Veränderungen werden durch Blended Learning / Coaching / Consulting und Virtual Reality erwartet. Allen Trainern, Beratern und Coaches – die noch mindestens 3-5 Jahre ihr Geschäft betreiben wollen – wird dringend empfohlen, ihr Geschäftsmodell und Leistungsportfolio auf Digitalisierbarkeit zu überprüfen. Dazu gehören auch das Erstellen und der Verkauf von Infoprodukten (Handouts in Form von E-Books, Webinare, Video-Seminare…).

Das Geschäftsmodell “Zeit gegen Geld“ (Präsenz-Trainings/Workshops) ist kaum skalierbar und wird zunehmend unter Preis- und Wirtschaftlichkeitsdruck geraten. Alles in allem läuft es auf einen mehrdimensionalen Geschäftsmodell-Mix hinaus:Horizontal: kostenlos, niedrigpreisig (Einstieg), normalpreisig (Standard), hochpreisig (Premium, wertvoll)

  • Vertikal: vom Generalisten zum Spezialisten und weiter zum Experten. Spezialisten sind qualifizierte Umsetzer. Experten sind Spezialisten, die ihr Themengebiet weiterentwickeln und Berufskollegen anleiten.
  • Diagonal: ist es die Koexistenz von physischen und digitalen Produkten sowie offline oder online erbrachten Leistungen.

Wer lebenslanges Lernen und sich weiterentwickeln nicht verinnerlicht hat, wird zum Auslaufmodell.

Die Digitalisierung wirkt sich auf die Inhalte der Berufsbilder aus: Im Training werden die Beratungsanteile deutlich steigen und Trainer und Trainerinnen sich in Richtung zum Lernbegleiter entwickeln.

  • In der Beratung werden die Coachinganteile steigen und Berater/Beraterinnen die Begleiter für Unternehmensentwicklung sein.
  • Coaches sind die persönlichen Entwicklungsbegleiter in der Selbst-, Unternehmens- und Mitarbeiterführung.

Alle Teilnehmer, darunter auch zahlreiche KMU-Berater, waren sich über die hohe Bedeutung der Digitalisierung für Ihr eigenes Geschäft einig.

 

Zum Artikel von Manfred Sieg (BDVT)

Analog und digital – leben, arbeiten, verkaufen

Dr. Karl Hofmann

Leiter Institut für Kairologie

Die Digitalisierung wird gegenwärtig von vielen wie ein Naturereignis der Geschichte betrachtet, das auf die Arbeitswelt des Menschen hereinbricht. Die Darstellung von Manfred Sieg schildert auch sehr klar das Verhältnis der Menschen dazu, wie wir es bei solchen Katastrophen antreffen.

Auch bei einer Schneelawine auf der anderen Seite des Tales schauen die einen zu und wundern sich, über das Schauspiel, andere sehen sich nicht direkt betroffen und setzen ihre gewöhnliche Arbeit fort. Wieder andere warten beobachtend ab und nur wenige springen auf und suchen nach Wegen, damit bestmöglich umzugehen.

Wie Veränderungen in der Natur, die erstmals auftreten, gewöhnlich mit Veränderungen zu tun haben, die zunächst von Menschen ausgingen und deshalb der Mensch zuerst dazu aufgefordert ist, sich mit dem Naturvorgang in einem tieferen Sinne zu befassen, so ergeht es uns jetzt auch mit der Digitalisierung.

Das bisherige Denken geht dahin, dass wir nur auf die Digitalisierung starren und uns fragen, wie wir auf sie richtig reagieren können. Konkret: wir gehen jetzt zu Maschinen über, die sich selbst steuern und sogar selbst weiterentwickeln können.

Die unsichtbaren elektronischen Prozesse werden wichtiger als die sichtbaren. Vorgänge werden zum Beispiel nicht mehr im Aktenordner, sondern in der Cloud abgelegt. Der Mechatroniker korrigiert Maschinenabläufe nicht mehr an der Maschine, sondern am Computer. Gleichzeitig haben die meisten in den Unternehmen noch das Gefühl, sie werden von außen gesteuert. Nur das Geld oder der sichere Arbeitsplatz bewegt sie, sich zu bewegen.

Sollten wir uns nicht zuerst den Menschen anschauen, der diese Digitalisierung hervorgebracht hat! Läuft nicht grundsätzlich etwas falsch, wenn wir von Industrie 4.0 sprechen, den Menschen aber immer noch auf dem Niveau von 1.0 oder 2.0 behandeln? Können wir etwas hervorbringen, was uns selbst wesentlich übersteigt? Wenn dem so wäre, müsste die Digitalisierung mit Recht in erster Linie als Bedrohung empfunden werden.

Anders sähe es aus, wenn der Mensch im Kern selbst ein Human Resources 4.0 Wesen wäre. Human Resources 4.0 hieße dann, den Menschen nicht parallel, sondern analog zur Digitalisierung zu verstehen. Mitarbeiter müssten somit dazu gebracht werden, in der Digitalisierung sich und in sich selbst die Digitalisierung wieder zu erkennen.

Natürlich müssen angesichts der Digitalisierung Trainer, Berater und Coaches stärker zu „Begleitern“ werden. Aber müssen diese Begleiter nicht zuerst von sich selbst und von ihren Kunden ein anderes Bild gewinnen?

Wen oder was also hat ein Coach zu begleiten? Die äußeren, im Bewusstsein abgehandelten Vorgänge, die alle ihre sprachlichen Aktenordner haben, oder jene energetischen Vorgänge, in denen sich abspielt, wie wir mit dem aktuellen Input innerlich umgehen, in welcher Beziehung wir dazu stehen. Das setzt aber voraus, dass er um die Logik der energetischen Veränderungen im Inneren von Menschen und Unternehmen weiß. Andernfalls bleibt er an der Oberfläche.

Muss ein Trainer nicht ebenso primär die Veränderung der Bereitschaft zu lernen begleiten? Muss ein Berater die Unternehmensentwicklungen nicht auch auf einer menschlich-gesellschaftlichen, energetischen Ebene begleiten? Muss Mitarbeit in Unternehmen nicht jene autonome Qualität des schöpferischen Mitwirkens gewinnen, die zukünftig verlangt wird?

Die Antworten auf solche Fragen setzen einen neuen Zugang zum Menschen voraus. Ein solcher Zugang ist die Kairologie.